Thomas Euler
Triebstraße 13
35398 Gießen-Allendorf/Lahn
1919 bis 1933
Der SPD-Ortsverein Allendorf/Lahn wurde im Jahre 1919 von Arbeitern um Ludwig Luh IX. als „Arbeiter-Bildungsverein“ gegründet. Getreu diesem Namen waren die Genossen in verschiedenen kulturellen Bereichen tätig. Die Mitglieder dieses Arbeiter-Bildungsvereines kandidierten in Allendorf/Lahn bei den Gemeinderatswahlen von 1923 und 1925 auf „Arbeiter-Listen“. 1919 befanden sich die SPD'ler noch auf einer Einheitsliste. Erst ab 1929 führte diese Arbeiterliste die Bezeichnung „Sozialdemokratische Partei Deutschlands“.
Während des Kaiserreiches von 1871 bis 1918 gab es im Großherzogtum Hessen ein Drei-Klassen-Wahlrecht und ein reines Männerwahlrecht. Mit der Gründung der Weimarer Republik 1919 wurde das allgemeine Wahlrecht eingeführt und die gesetzlich garantierte Präsenz der Privilegierten abgeschafft. Frauen durften erstmals wählen.
Das Wahlverhalten der Allendorfer bei den Reichstagswahlen war in dieser Zeit - gemessen am Kreisdurchschnitt - relativ konservativ. Während der Zeit der „Weimarer Republik" änderte sich das Wahlverhalten der Allendorfer erkennbar: Die fortschrittlichen Parteien links der Mitte waren fortan in Allendorf/Lahn wesentlich stärker, die rechts-konservativen Parteien wesentlich schwächer als im Kreisdurchschnitt.
In den Jahren 1920 und 1921 war Allendorf/Lahn eine Hochburg der USPD, der „Unabhängigen Sozialdemokratischen Partei Deutschlands", die sich wegen der Streitfrage "Kriegskredite" von den (Mehrheits-) Sozialdemokraten abspalteten und aus denen teilweise später die KPD hervorging: Bei der Reichstagswahl vom 6. Juni 1920 und der Landtagswahl vom 27. November 1921 erreichte die USPD in Allendorf/Lahn 41,0 % beziehungsweise 30,8 %, während die SPD nur auf 13,3 % bzw. 17,0% kam. (Der Kreisdurchschnitt lag für die USPD bei 13,6 % und 9,8%.)
Ludwig Luh IX. (genannt: "aalt Schimmelluwich") führte den SPD-Ortsverein Allendorf/Lahn von 1919 bis zu seinem Verbot durch die Nazis im Jahr 1933.
Neben ihm waren für die SPD in der Weimarer Zeit Ludwig Euler, Philipp Heep III., Karl Henkelmann, Ludwig Müller II., Wilhelm Stengel, Otto Volk I. und Ludwig Wagner V. im Allendorfer Gemeinderat vertreten. Von 1919 bis 1933 gab es im Allendorfer Gemeinderat aber eine konservative Mehrheit (zunächst ein Bürgerlicher Wahlvorschlag, dann ein Bündnis aus der Liste der Gewerbetreibenden und der Liste des Ortsbauernvereines).
Der Sozialdemokrat Philipp Wallhäuser unterlag bei der Bürgermeisterwahl am 5. Juli 1925 dem amtierenden parteilosen Bürgermeister Ludwig Volk XXII.
Auch der Sozialdemokrat Ludwig Wagner V. scheiterte gegen den Amtsinhaber Ludwig Binz II. bei der Beigeordnetenwahl am 9. August 1925.
Einige junge Allendorfer, darunter auch der spätere Bürgermeister Otto Volk II., beteiligten sich engagiert bei der Sozialistischen Arbeiterjugend (SAJ), einer damaligen Jugendorganisation der SPD.
Es gab zudem einen Ortsverband des „Reichsbanners Schwarz-Rot-Gold“, der engagiert für die Demokratie eintrat, in einer Zeit als die antidemokratischen Kräfte am linken und rechten Rand des Parteienspektrums immer stärker wurden.. Der Wimpel der Allendorfer Reichsbannergruppe ist vor einigen Jahren in sehr gut erhaltenem Zustand wieder nach Allendorf/Lahn zurück gekehrt.