Erhard Hoffmann ist am 15. November 2022 verstorben - Allendorf verliert eine große Persönlichkeit

Ein Nachruf seines Nachfolgers: 

Wir trauern um Erhard Hoffmann.

Erhard Hoffmann hat hier in seiner „zweiten Heimat“ Allendorf/Lahn - und bei weitem nicht nur hier - sehr viel bewegt, und er hat durch sein Wirken bleibende und auch sichtbare Werte geschaffen.

Er war aktiv in vielen Bereichen und in vielen Vereinen.

„Zweite Heimat“ deshalb, weil Erhard Hoffmann im 1935 im Sudetenland, in Altenbuch, geboren wurde und 1946 als Heimatvertriebener mit seiner Familie nach Allendorf/Lahn kam.

Er lebte zunächst in einer Siedlung für Evakuierte und Geflüchtete hier in der Bergstraße, bevor das elterliche Haus gebaut wurde.

 

Erhard Hoffmann war ein politischer Mensch:

In gleich zwei Funktionen war er mein Vorgänger und ich konnte mir von ihm jederzeit guten Rat holen, wovon ich auch regen Gebrauch gemacht habe.

Er war sehr kompetent, hatte einen riesigen Erfahrungsschatz, einen gesunden Menschenverstand, er war offen und er hatte keinerlei Vorurteile.

Ursprünglich war er von dem Bund der Heimatvertriebenen und Entrechteten – dem BHE – motiviert worden, politisch tätig zu werden, aber da der BHE in Hessen eng mit den Sozialdemokraten zusammenarbeitete, tat er das auch vor Ort und wurde schließlich Sozialdemokrat.

Erhard Hoffmann gehörte seit November 1968 der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands an und wurde beim 100-Jährigen Ortsvereinsjubiläum 2019 für 50-jährige Mitgliedschaft geehrt. Auch erhielt er für seine Arbeit die höchste Parteiauszeichnung: Die Willy-Brandt-Medaille.

Dem Vorstand des SPD-Ortsvereins Allendorf/Lahn gehörte er über vier Jahrzehnte an, davon als Ortsvereinskassierer von 1972 bis 1998. Er hatte aber auch zeitweise Funktionen auf Unterbezirks- und auf Stadtverbandsebene.

Auch als er in den um die Jahrtausendwende seine Parteiämter und Mandate niederlegte, gab er seinen wahrlich guten Namen immer noch für die SPD-Liste bei allen Ortsbeiratswahlen her, weil er nach wie vor zu den Zielen und Programminhalten seiner Partei stand, zuletzt auch zur Kommunalwahl 2021.

Er besuchte – bis es gesundheitlich nicht mehr ging - nahezu jede Mitgliederversammlung.

 

Erhard Hoffmann hatte auch zahlreiche kommunalpolitische Mandate und Ämter inne, gerade in der schwierigen Zeit der der kommunalen Gebietsreform der 1970-er Jahre:

Von 1964 bis 1968 war er zunächst als junger Mann ehrenamtlicher Beigeordneter der damals selbstständigen Gemeinde Allendorf/Lahn.

Vom November 1968 bis zur Auflösung der Gemeinde Allendorf/Lahn am 30. September 1971 gehörte er dann der Gemeindevertretung an.

In jener Zeit fasste die Gemeindevertretung wegweisende Beschlüsse wie zum Beispiel:

  • den Beitritt zum Schulzweckverband Allendorf/Lahn – Gießen zum Bau der Brüder-Grimm-Schule
  • den Auftrag für den Bau einer Mehrzweckhalle
  • den Bebauungsplan für das große Baugebiet „Am Gießer Weg/ nördlich der Hochstraße“
  • die Umstellung der Wasserversorgung
  • und schließlich die „Eingemeindung“ nach Gießen,

Erhard Hoffmann war ein Befürworter des Anschlusses der Gemeinde Allendorf/Lahn an die Stadt Gießen. Bei den Verhandlungen zum Grenzänderungsvertrag, der übrigens heute noch Gültigkeit besitzt und für den Stadtteil Allendorf/Lahn einige Vorteile vorsieht, wirkte er entscheidend mit.

Es gab aber auch Zeiten, in denen er unglücklich darüber war, dass Allendorf/Lahn nur noch ein Stadtteil von Gießen war, das möchte ich hier nicht verschweigen. Rundherum aber fand er die Entscheidung später als richtig.

Mit der Eingemeindung am 1. Oktober 1971 wurde aus der ehemaligen Gemeindevertretung und dem ehemaligen Gemeindevorstand ein kommissarischer Ortsbeirat gebildet und damit wurde er zunächst kommissarisches Ortsbeiratsmitglied.

Erhard Hoffmann wurde dann nach erfolgter Kommunalwahl 1972 gewähltes Ortsbeiratsmitglied und stellvertretender Ortsvorsteher des fortan Gießener Stadtteils Allendorf/Lahn und er blieb in diesem Amt bis zur Auflösung der Stadt Gießen am 31. Dezember 1976. In dieser Zeit war er auch Fraktionsvorsitzender der SPD-Fraktion im Ortsbeirat.

Vom 30. Januar 1975 bis zum 31. Dezember 1976 gehörte er zudem schon der Stadtverordnetenversammlung von Gießen an.

Während der Zeit der Stadt Lahn von Januar 1977 bis Sommer 1979 gab es keine Ortsbeiräte mehr, sondern Bezirksbeiräte. Erhard Hoffmann gehörte dem Bezirksbeirat „Lahn-Dutenhofen“ an, der für Allendorf zuständig war.  

Erhard Hoffmann sah – ebenso wie seine damaligen Mitstreiter Helmut Bellof und Wilhelm Heußner, die schon lange verstorben sind - in der Stadt Lahn als mittelhessisches Oberzentrum eine große Chance, unserer Region im Spannungsfeld zwischen Rhein-Main-Gebiet und dem Großraum Kassel mehr Gewicht zu geben. Diese Auffassung teile ich übrigens auch heute noch.

Seine engen Kontakte nach Lahn-Wetzlar, wo er arbeitete, halfen ihm sicher dabei.

Leider wurde mit der Auflösung der Stadt Lahn zum 31. Juli 1979 diese große Chance vertan und es entstanden wieder viele kleinere Einheiten.

Trotz dieser ernüchternden Tatsache der Lahnstadt-Auflösung und der Änderung der Mehrheitsverhältnisse in den Kommunalparlamenten fiel Erhard Hoffmann nicht in eine Resignation, sondern machte konstruktiv weiter.

So war er vom 1. August 1979 bis zum 31. März 1993 Stadtverordneter der Universitätsstadt Gießen, zunächst wieder staatsbeauftragt, dann ab 1. November 1979 in gewählter Funktion. In der Zeit von 1989 war bis 1993 war er sogar stellvertretender Stadtverordnetenvorsteher.

Von der Stadtverordnetenversammlung wurde er wegen seines großen Erfahrungsschatzes in viele andere Gremien berufen, so zum Beispiel von 1984 bis 1993 in die Betriebskommission der Stadtwerke und von 1985 bis 1993 in die Verbandsversammlung des Abwasserverbandes Kleebachtal. Aber er wirkte für die Stadt auch noch in weiteren Gremien mit.

Das war sehr viel ehrenamtliche Arbeit und es wurde ihm allmählich auch zu viel. So bat er mich 1993 darum, dass ich ihm in die Gießener Stadtverordnetenversammlung nachfolge und ich tat es dann auch.

Sehr viel bekannter aber ist Erhard Hoffmann als langjähriger Ortsvorsteher des Gießener Stadtteils Allendorf/Lahn. Dieses Amt übte er von 1979 bis 1997 aus.

Hier kannte man ihn und er erarbeitete sich einen sehr guten Ruf, weit über die Stadtgrenzen hinaus.

Er kümmerte sich unermüdlich um seinen Stadtteil und sein Wirken fand einen Höhepunkt 1990 in der 1200-Jahrfeier. Dieses Fest organisierte er in seiner Funktion als Vorsitzender des Festausschusses.

Insgesamt war Erhard Hoffmann 32 Jahre und 2 Monate kommunalpolitisch für Allendorf/Lahn aktiv. Er gehört damit zu den vier dienstältesten Kommunalpolitikern Allendorfs seit 1878. 

1997 bat Erhard Hoffmann mich ein zweites Mal, sein Nachfolger zu werden: Dieses Mal als Ortsvorsteher.

Ich tat es und tue es noch immer und ich hoffe, dass er mit mir zufrieden war.

In der Gemeinde und später im Stadtteil Allendorf/Lahn und in den Städten Gießen und Lahn hat er sich sehr verdient gemacht.

Er wurde 1977 mit dem Ehrenbrief des Landes Hessen,

1976 bin der Bronzenen Ehrenplakette, 1985 mit der Silbernen Ehrenplakette und 1992 mit der Goldenen Ehrennadel geehrt und führt seit 1986 die Ehrenbezeichnung „Stadtältester“.

1981 bekam er vom Bundespräsidenten das Verdienstkreuz am Bande des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland, 1998 dann auch noch das Bundesverdienstkreuz in einer höheren Stufe. Die „Willy-Brandt-Medaille“ hatte ich bereits erwähnt.

Erhard hat all diese Auszeichnungen verdient!

Im Namen

von Oberbürgermeisterin Frank-Tilo Becher,

von Stadtverordnetenvorsteher Joachim Grußdorf,

sowie der Mitglieder des Ortsbeirates Allendorf/Lahn

danke ich Erhard Hoffmann für die geleistete Arbeit.

 

Erhard Hoffmann war ein tüchtiger Mensch:

Viele Jahre arbeitete er bis zu seinem Ruhestand bei Buderus in Wetzlar.

Er hat sich hier für die Arbeitnehmer eingesetzt und war von 1965 bis 1991 Mitglied des Betriebsrates bei Buderus in Wetzlar, dessen Vorsitzender er von 1975 bis 1987 war.

Gleichzeitig war er von 1975 bis 1987 Mitglied des Gesamtbetriebsrates der Buderus Aktiengesellschaft.

Er war für die Deutsche Angestelltengewerkschaft DAG tätig, war von 1973 bis 1995 Vorstandsmitglied der Ortsgruppe Wetzlar, 1973 bis 1991 Mitglied des Bezirksvorstands und 1982 bis 1990 sogar Bezirksvorsitzender der DAG Mittelhessen.

In diesen Funktionen war er auch von 1983 bis 1991 Mitglied des Landesverbandsvorstands, zeitweise sogar des geschäftsführenden Landesverbandsvorstands sowie in der Tarifkommission Metall.

Wegen seiner Erfahrungen im Berufsleben und seinem gesunden Menschenverstand wurde er auch berufen:

  • in der Prüfungskommission der Industrie- und Handelskammer für Industriekaufleute im Metallbereich (1973 bis 1992)
  • als ehrenamtlicher Richter am Arbeitsgericht Wetzlar (1975 bis 1982)
  • als ehrenamtlicher Richter am Landesarbeitsgericht in Frankfurt am Main (1982 bis 1986)
  • und als ehrenamtlicher Richter am Hessischen Verwaltungsgerichtshof in Kassel (1983 bis 1986).

 

Erhard Hoffmann war auch ein Vereinsmensch:

Einigen Vereine gehörte er lange als einfaches Mitglied an, in einigen engagierte er sich aktiv und einigen Vereinen gehört er noch heute an:

So war er seit 1955 Mitglied des Gesellschaftsvereins „Gemütlichkeit“. Hier war von 1961 bis 1965 Vorsitzender und von 1966 bis 1994 Schriftführer. 1995 wurde er Ehrenmitglied.

Im Deutsch-Tschechischen Freundeskreis der Stadt Gießen war viele Jahre Schriftführer und besuchte die Gießener Partnerstadt Hradec Kralove (Königgrätz), die unweit seines Geburtsortes liegt.

Auch war er von 1979 bis zu seinem Tod der freiwilligen Feuerwehr und der seit Gründung des Gemischten Chores Allendorfer Chorgemeinschaft treu geblieben.

Die Vereine wissen, was sie an Erhard Hoffmann hatten.

Allendorf/Lahn hat durch seinen Tod eine außerordentlich große Persönlichkeit verloren.

 

Ich habe einen väterlichen Freud verloren. Ein großes Vorbild und ein Förderer, wegen dem ich damals als junger Mann den Schritt in die Kommunalpolitik gewagt habe. Viele Jahre hatte ich noch engen Kontakt zu ihm.

Die letzten Jahre hatte ich ihn nur noch ab und zu besucht. Viel zu wenig und das tut mir jetzt sehr leid, denn Erhard Hoffmann wird mir fehlen.

Aber noch sehr viel mehr wird er seinen Liebsten, seiner Familie, fehlen.

Im Namen der Universitätsstadt Gießen und des Ortsbeirates von Allendorf/Lahn und deren Einwohnerinnen und Einwohner, und im Namen der Vereine, für die ich heute gesprochen habe, danke ich Dir, lieber Erhard, und würdige Dein Lebenswerk.

Du hast einen festen Platz in der Allendorfer Geschichte.

Wir alle werden Dein Andenken in Ehren bewahren!

Unsere Gedanken sind nun bei der trauernden Familie, der wir viel Kraft wünschen.

Lieber Erhard, Du warst ein guter Mensch.

Nun findest Du Deinen ewigen Frieden.

Ich verneige mich in Ehren vor Dir.

Ruhe in Frieden!